Automotive und Übersetzung: Wie E-Mobilität die Sprache verändert

Die Automotive-Branche verlangt Übersetzer:innen einiges ab. Hoher Zeitdruck und ein strenges juristisches Korsett halten die Dienstleister auf Trab. Mit der Entwicklung der E-Mobility kommen völlig neue Herausforderungen auf die Übersetzungs-Profis zu. Aber auch spannende neue Betätigungsfelder.

Manchmal könnte man Englisch Sprechende wirklich beneiden. Im Englischen entstehen erstaunlich rasch originelle Begriffe für neu auftretende Phänomene. Knapp, bildhaft, sofort verständlich. „Range Anxiety“ ist eine solche Neuschöpfung. Der Begriff beschreibt die Sorge davor, dass die Ladung des Elektroautos möglicherweise nicht bis zur nächsten Ladestation reicht.

So, und jetzt übersetzen Sie das mal elegant ins Deutsche! „Reichweiten-Besorgnis“?

Die Entwicklung der Elektromobilität und der Connected Car Services wird von einer neuen Terminologie begleitet. Dass die Jahrzehnte alte Leistungsdarstellung PS zunehmend von kW und kWh verdrängt wird, ist angesichts zahlreicher Neologismen eine Kleinigkeit. Professionelle Übersetzer:innen sind neu auftauchende Begriffe natürlich gewöhnt, und in diesen Fällen sind Glossare und Termdatenbanken extrem hilfreich.

Deutlich mehr Impact auf die Übersetzung haben allerdings diese sieben Entwicklungen der Automotive-Branche:

Herausforderung #1: E-Mobilität bringt neue Narrative

So unterschiedlich Automarken und -typen auch sind, so ähnlich sind einander doch die Narrative, die Marketing und Werbung prägen. Das Narrativ vom Fahrerlebnis etwa, das mit hohen Leistungsdaten, fein in Szene gesetzter Höchstgeschwindigkeit und nicht zuletzt einem satten Sound erzählt wird. Oder die Familientauglichkeit, die Aerodynamik gegen Stauraum tauscht.

Mit Nachhaltigkeit erlebt nun ein Narrativ einen Höhenflug, das bei Verbrennern eher als Fußnote auftaucht; und das im Übersetzungsprozess definitiv nach Transcreation ruft, denn die Einstellung zu und das Wissen über Nachhaltigkeit sind nicht in allen Gesellschaften gleich ausgeprägt. Manches, das hierzulande selbstverständlich ist, muss in anderen Märkten detaillierter erklärt werden. Außerdem kann man in einigen Märkten nicht grundlegend davon ausgehen, dass Nachhaltigkeit ein besonders starkes Argument ist und muss die Botschaften dementsprechend anders formulieren. Eine Aufgabe, die enger Zusammenarbeit zwischen Marketing und Übersetzer:innen bedarf.

Herausforderung #2: Neue Technologien erfordern neue Expertise

Fachübersetzer:innen müssen nicht nur ihre Sprachen exzellent beherrschen, sie müssen bis zu einem gewissen Grad auch Fachleute in ihrem jeweiligen thematischen Umfeld sein. Die Technologie in Elektrofahrzeugen (und Hybriden) unterscheidet sich massiv von jener der Verbrenner. Übersetzer:innen sind daher gefordert, hier technische Kompetenz aufzubauen.

Interessant wird sein, zu verfolgen wie KI-Übersetzungstools mit dem Thema umgehen werden. Wenn die Kombination aus Machine Translation und menschlichem Post-Editing einsetzbar wird, dürfte der Aufwand für letzteres wohl eine Zeit lang erhöht sein.

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Herausforderung #3: Elektromobilität bringt neue Regularien

Wer in der Automobilbranche Fachübersetzungen anfertigt, ist daran gewöhnt, zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Standards einhalten zu müssen. Mit der Elektromobilität kommt auf diesem Gebiet einiges hinzu.

Ein Beispiel: die EU Battery Regulation. Sie bringt eine ganze Reihe an neuen Kennzeichnungs-, Informations- und Dokumentationspflichten, die in sämtlichen Amtssprachen der Union verfügbar sein müssen. Dazu gehören etwa Warn- und Recyclinghinweise auf Batterien, die EU-Konformitätserklärung zur CE-Kennzeichnung oder ab 2027 ein digitaler Batteriepass mit technischen und anderen Daten. Viel Arbeit also im Zuge der Übersetzung und der Lokalisierung.

Herausforderung #4: Auch Ladeinfrastruktur braucht Übersetzung

Die Touchscreens öffentlicher Ladestationen müssen mehrsprachig angeboten werden. Anleitungen, Trouble Shooting und Paymentprozess sollen ja für alle Autofahrer:innen verständlich sein. Übersetzungsbedarf entsteht auch durch die privaten Wallboxen – in Form von Installations-, Wartungs- und Troubleshooting-Anleitungen. Hinzu kommt Lokalisierungsbedarf bei Apps zur Ladesteuerung.

Herausforderung #5: Neue Mobilität, neue Sprachen

Chinesische Pkw waren in Europa noch vor wenigen Jahren völlig unbekannt. Seit sich ein bemerkenswerter Anteil der Automotive-Handelsströme umgekehrt hat, wird auch die Übersetzung vom Chinesischen in europäische Sprachen wichtiger. Und auch hier geht es um kulturelle Anpassung: Asiatische UX-Konzepte zum Beispiel unterscheiden sich bisweilen gravierend von europäischen. Herausfordernd ist auch die teils völlig anders strukturierte Technik-Dokumentation.

Elektromobilität vergrößert aber auch bisher eher unbedeutende Märkte. Vor allem Low Cost Vehicles erobern südostasiatische und afrikanische Märkte, aber auch Indien. Und damit steigt auch der Bedarf an hochwertigen Übersetzungen in Sprachen, die manchmal nur lokal gesprochen werden. Mit elektrischen Rikschas, E-Scootern und E-Bikes kommen außerdem neue Nutzungsszenarien für Elektrofahrzeuge hinzu.

Herausforderung #6: Software-Lokalisierung überholt Hardware-Dokumentation

Das gute alte Benutzerhandbuch für Fahrzeuge wird vielleicht nicht aussterben – aber jedenfalls an Bedeutung verlieren. Die Zukunft liegt in der kontinuierlichen Dokumentations-Aktualisierung over-the-air. Die agilen Übersetzungsprozesse in zahlreiche Sprachen, die damit und mit User Notifications einhergehen, werden wohl eher Aufgabe der KI sein – diese sprachlich anzulernen, ist aber ein Job für Sprachprofis.

Die Lokalisierung von User Interfaces und User Experience ist jedoch definitiv eine Aufgabe für menschliche Übersetzer:innen. Dabei geht es nicht nur um Details wie die unterschiedlichen Textlängen, sondern auch um die kulturelle Anpassung von Icons und Menüführungen. Was als intuitiv verständlich empfunden wird, kann zwischen verschiedenen Sprachräumen stark variieren.

Herausforderung #7: Übersetzungsfehler bei E-Autos sind lebensgefährlich

Mit der Elektromobilität bewegt sich die Automobilindustrie im Bereich der Hochvoltkomponenten, und die verlangen besondere Sicherheitshinweise. Hinzu kommen First Responder Guides für Rettungskräfte und die Werkstattdokumentation für nicht-zertifiziertes Personal.

Übersetzer:innen müssen sich also mit spezifischen Normen wie UN ECE R100 oder ISO 6469 exzellent auskennen. Und sie müssen eine neue Dimension der Verantwortlichkeit für ihre Arbeit verinnerlichen.

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