Gewisse Worte aus anderen Sprachen kann man nicht direkt ins Deutsche übersetzen. Viele sind poetisch, andere witzig und wieder andere einfach nur interessant. Was viele von ihnen gemeinsam haben: Sie erzählen einiges über die dahinterstehenden Kulturen.
Manchmal ist die Auswahl erstaunlich groß. Viele Begriffe aus anderen Sprachen lassen sich unterschiedlich ins Deutsche übersetzen, und es bedarf ausgezeichneter Sprachkenntnisse, um den im Kontext passenden Begriff zu kennen.
Aber manchmal ist es das genaue Gegenteil: Bei Worten, für die es keine 1:1-Entsprechung im Deutschen gibt, hilft nur noch eines – man muss sie umschreiben.
Mamihlapinatapai? Hauptsache Liebe
Liebe prägt seit Jahrhunderten jede erdenkliche Kunstform. Und sie hat auch in allen Sprachen der Welt tiefe Spuren hinterlassen. Die Poesie, die in manchen dieser Begriffe steckt, kann Deutschsprachige durchaus neidisch werden lassen.
- Iktsuarpok (Inuit) – Das angespannte Warten auf jemanden, das einen immer wieder aus dem Fenster blicken lässt
- Kilig (Tagalog, Philippinen) – Das berauschende Gefühl eines romantischen Moments
- Mamihlapinatapai (Yaghan, Patagonien) – Der Blick zwischen zwei Menschen, der ein unausgesprochenes Verlangen ausdrückt
- Onsra (Boro, Indien) – Eine schmerzhafte Liebe, weil man weiß, dass sie nicht ewig dauern wird
- Forelsket (Norwegisch) – Die Euphorie, die man empfindet, wenn man sich frisch verliebt
- Tuqburni (Arabisch) – Eine Liebe, die so stark ist, dass man hofft, der geliebte Mensch möge einen überleben (wörtlich: „Du begräbst mich“)
- Oodal (Tamil) – Das vorgetäuschte Schmollen nach einem kleinen Streit, das dazu dient, Zuwendung zu erhalten.
Viele Arten, die Natur zu betrachten
Und poetisch geht es weiter. Manche Begriffe, die mit Natur zu tun haben, sind unübersetzbar, weil sich die erlebte Umwelt von unserer unterscheidet, andere beschreiben einen bestimmten Blick auf die Natur, der auch die jeweilige Kultur beschreibt.
- gökotta (Schwedisch) – Früh aufstehen, um den Gesang der Vögel, vor allem jenen des Kuckucks, zu hören
- Komorebi (Japanisch) – Sonnenlicht, das durch Laub fällt
- Mångata (Schwedisch), Yakamoz (Türkisch) – Die Reflexion des Mondlichts auf Wasser
- uitwaaien (Niederländisch) – Ins Freie gehen, um den Wind zu genießen
- Psithurism (Englisch) – Das Geräusch von Blättern im Wind
- Gluggaveður (Isländisch) – Wetter, das durchs Fenster betrachtet schön zu sein scheint, das tatsächlich aber unangenehm ist
- Kaamos (Finnisch) – Die Dunkelheit der Polarnacht
- hanyauku (Rukwangali, Namibia) – Auf Zehen durch den heißen Sand laufen, um sich nicht die Füße zu verbrennen
Kein deutsches Wort für Essen und Trinken
Viele Begriffe thematisieren den Umgang mit Essen und Trinken. Einige sind erwartbar, einige durchaus originell.
- Utepils (Norwegisch) – Ein Bier im Freien an einem schönen Tag.
- Sobremesa (Spanisch) – Die Zeit, die man nach beendeter Mahlzeit nutzt, um sich zu entspannen und die Gesellschaft der anderen zu genießen
- shemomedjamo (Georgisch) – Weiteressen, obwohl man schon satt ist, weil es so gut schmeckt
- Tretar (Schwedisch) – Die dritte Tasse Kaffee hintereinander
- pelinti (Buli, Ghana) – Heißes Essen im Mund hin- und herschieben, bis es kühler geworden ist
- Culaccino (Italienisch) – Der Wasserring, den ein Glas auf dem Tisch hinterlässt
- Pålegg (Norwegisch) – Jegliche Zutat, die man auf ein Sandwich legen kann
Bei manchen Worten ist allerdings Skepsis angebracht. „Kalsarikännit“ (Finnisch) beispielsweise soll die Freizeitbeschäftigung bezeichnen, sich allein und nur mit Unterwäsche bekleidet daheim zu betrinken. Das klingt jedoch eher nach einem Kunstwort oder einem Scherz als nach einem natürlich entstandenen Begriff.
Gefühle und Aktionen: Mehr unübersetzbare Worte
Bei gewissen Begriffen ist es verwunderlich, dass dafür kein eigenes Wort im deutschen Wortschatz existiert. Doch es gibt auch unübersetzbare Worte, die auf einen bestimmten Blick auf Menschen, ihre Gedanken und Tätigkeiten verweisen, der offenbar kulturell bedingt ist.
- Pochemuchka (Russisch) – Ein Mensch, der (zu) viele Fragen stellt
- Tsundoku (Japanisch) – Ein stetig wachsender Stapel ungelesener Bücher
- Lagom (Schwedisch) – Genau die richtige Menge
- załatwić (Polnisch) – Eine einfallsreiche Lösung finden, die möglicherweise offizielle Kanäle umgeht
- Desenrascanço (Portugiesisch), Jugaad (Hindi) – Kreative Lösung in einer schwierigen Situation
- Toska (Russisch) – Eine Mischung aus Schwermut und Sehnsucht, die keinen spezifischen Grund hat
- meriggiare (Italienisch) – Mittags im Schatten ruhen
- Boketto (Japanisch) – Die Kunst, in die Ferne zu starren, ohne an etwas Bestimmtes zu denken
- to jaywalk (Englisch) – Unerlaubt eine Straße überqueren
- Ageotori (Japanisch) – Das Gefühl, nach einem Friseurbesuch schlechter auszusehen als davor
- Tartle (Schottisch) – Das Zögern, jemanden vorzustellen, dessen Namen man vergessen hat
- Sprezzatura (Italienisch) – Die Kunst, etwas einfach erscheinen zu lassen, das tatsächlich viel Arbeit verursacht
Fernweh und Schadenfreude: Unübersetzbare deutsche Worte
Die deutsche Sprache beschert Übersetzer:innen in anderen Kulturen ähnliche Probleme. Auch das Deutsche kennt Begriffe, die sich in anderen Sprachen nicht direkt übersetzen lassen oder die als Lehnworte Teil des Wortschatzes geworden sind.
Was sie über das Image der deutschen Kultur aussagen, mag jeder und jede selbst beurteilen. Aber immerhin: Neben Fernweh, Schadenfreude oder Weltschmerz haben wir immerhin auch das Fingerspitzengefühl exportiert.