5 Fatale Übersetzungsfehler: Politische Übersetzungen in der Sprachfalle

Laura Mangels
A.C.T. GmbH

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Ein sowjetischer Staats- und Parteichef, der dem Westen droht. Ein japanischer Premierminister, der eine diplomatische Note ignoriert. Ein US-Präsident, der zu große Lust auf Polen hat. Maori, die sich unter den Schutz der englischen Königin begeben. Und ein chinesischer Premier, dessen Gedanken sehr lange reifen. Oder war alles ganz anders? Lesen Sie hier über die Top 5 Übersetzungsfehler, die zu diplomatischen Zerwürfnissen führten.

1. Japan und die Potsdamer Konferenz: Ignorieren oder sich zurückhalten?

Potsdam im Juli 1945. In Europa ist der Krieg zu Ende. Im Pazifik nicht. Das Kaiserreich Japan, im Krieg auf der Seite des nationalsozialistischen Deutschlands, wehrt sich nach wie vor gegen die Niederlage. Die Siegermächte, die sich in der Nähe Berlins treffen, fordern von Japan die Kapitulation. Andernfalls, so heißt es, würde das fernöstliche Kaiserreich „unverzüglich und vollständig vernichtet“ werden. Der damalige japanische Premierminister Kantaro Suzuki reagiert auf die Forderung mit dem japanischen Begriff „mokusatsu“. Der Begriff ist – man kann es nicht anders nennen – bedeutungsschwanger: „Mokusatsu“ kann „ignorieren“ bedeuten oder auch „mit stiller Verachtung behandeln“, aber eben auch „sich mit einer Erwägung zurückhalten.“ Westliche Medien deuten „mokusatsu“ eher als den Standpunkt Japans, die Aufforderung zur Kapitulation zu ignorieren. Was wenige Wochen später geschieht, ist Teil jedes Geschichtsbuches: am 6. Und 8. August 1945 werden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen.

2. Jimmy Carters Lust auf Polen: Der Übersetzer, der schwieg

Es ist eine kleine Sensation: Wir schreiben das Jahr 1977, wir sind am Höhepunkt des Kalten Krieges und der damalige US-Präsident Jimmy Carter besucht ein Land des Ostblocks: Polen. Doch leider hat man offenbar nicht den allerbesten Übersetzer vom Englischen ins Polnische aufgetrieben. Aus der Neugierde Carters, mehr über die Zukunftswünsche des polnischen Volkes zu erfahren, wird in der Übersetzung sexuelle Begierde. Und als Carter meint, er hätten „diesen Morgen die Vereinigten Staaten verlassen“, wird dieser Satz so übersetzt, als hätte Carter vor, nie wieder zurückzukehren. Es wird im Laufe des Staatsbesuches nicht besser. Der Ersatz-Übersetzer entschließt sich, auf Nummer Sicher zu gehen und dolmetscht bei einem Staatsbankett einfach gar nicht mehr. Noch heute ist der Carter-Besuch in Polen fixer Bestandteil polnisches Witzgutes.

3. Der englischen Königin Untertanen: Die Maori und der Missionar

Die Häuptlinge der Maori auf Neuseeland haben es satt. Satt, ständig von Sträflingen, Seefahrern und Räubern bedroht zu werden. Im Jahr 1840 schließen sie einen Vertrag mit Großbritannien. Oder besser gesagt: zwei Verträge. Denn das Exemplar für die Briten unterscheidet sich diplomatisch signifikant von jener Übersetzung, die sie erhalten. Im Text für die Maori, übersetzt übrigens von einem britischen Missionar, wird festgehalten, dass die Maori nicht ihre Souveränität, sondern nur die Regierungsgewalt an die britische Krone abtreten sollten. Selbstverwaltung also und Schutz vor den Eindringlingen, aber kein völliger Souveränitätsverlust. In der Fassung für die Briten dagegen heißt es, die Maori würden „ihrer Majestät, der Königin von England, absolut und ohne Vorbehalt alle Rechte und Befugnisse der Souveränität abtreten“. Noch Generationen später sollte dieser Vertrag von Waitangi für Unruhe in den Beziehungen zwischen den Maori und den Briten sorgen.

4. Chinesische Weisheit: Der nachdenkliche Premierminister

Richard Nixon hat Großes vor in China. 1972 will er die diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China verbessern und rückt damit etwas vom Verbündeten Taiwan ab. Die USA versprechen, ihre Streitkräfte, die bis dahin zum Schutz Taiwans auf der Insel stationiert waren, abzuziehen und Nixon und seine chinesischen Gesprächspartner vereinbaren die „Ein China-Politik“. Es gebe eben nur ein China und nicht zwei chinesische Staaten. Als der chinesische Premierminister Zhou Enlai während des Nixon-Besuchs gefragt wird, was er denn über die Französische Revolution denke, antwortet der, es sei noch zu früh, dazu etwas zu sagen. Ein Missverständnis, an der die Übersetzung auch ihren Anteil hatte. Denn Zhou Enlai hatte sich nicht auf die Revolution von 1789 bezogen, sondern auf die Aufstände in Frankreich vier Jahre zuvor. Ausgelegt wird die Aussage aber aufgrund der Fehlinterpretation als – nicht ganz unproblematisches – Stereotyp für langfristiges chinesisches Denken.

5. Eine Kriegserklärung, die keine ist: Ärger für Nikita

Wir sind wieder auf polnischem Hoheitsgebiet. Und zwar in der polnischen Botschaft in Moskau. Wir schreiben das Jahr 1956. Nikita Chruschtschow, KPdSU-Generalsekretär und ein eher leutseliger Politiker, ist zu Gast. Vor westlichen Diplomaten sagt der Sowjetpolitiker einen verhängnisvollen Satz: „Wir werden Sie begraben.“ Eine direkte, unmissverständliche Drohung. Oder doch nicht? Um den Satz richtig zu deuten, muss man in die Geschichte schauen. Denn was Chruschtschow, natürlich beschlagen in marxistischen Theorien, meinte, ist die Prognose von Karl Marx, dass die Arbeiterklasse die Bourgeoisie besiegen werde – und keineswegs eine kriegerische Drohung. Marx schrieb im Kommunistischen Manifest: „Was die Bourgeoisie also vor allem produziert, sind ihre eigenen Totengräber.“ Jahre später, bei einem Besuch in Jugoslawien, bemerkt Chruschtschow launig, dass er wegen dieses Satzes „Ärger“ bekommen habe. Und stellt ihn richtig. Bis dahin sollten allerdings sieben Jahre vergehen.

Übersetzungen, das zeigen unsere Beispiele, sind möglicherweise nur eine sprachliche Aufnahme eines kurzen Moments, ein Satz, vielleicht beiläufig in einen Raum gerufen. Aber was unsere Beispiele auch zeigen, ist dies: sie wirken in manchen Fällen über Jahre, können politische Vereinbarungen torpedieren, Politiker:innen zu Lachnummern machen oder sogar schwere Folgen für den Frieden haben.

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